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Ausstellung "Wieder-Entdeckt"

Vernissage am 18.02.2024 um 12 Uhr

 

Zeitreise in die 30er Jahre
„Wieder-Entdeckt“ zeigt bekannte Ikonen und vergessene Positionen der Foto-Kunst

Das Fotografie-Forum der StädteRegion Aachen präsentiert zu Jahresbeginn eine umfassende Ausstellung zur Fotografie der 1930er Jahre, welche von der Leiterin Frau Dr. Nina Mika-Helfmeier kuratiert wurde. Der Titel „Wieder-Entdeckt“ lässt sich als zweifache Aufforderung verstehen. Zum einen zeigt die Schau künstlerische Positionen, die bisher wenig beachtet wurden. Zum anderen lassen sich an den ausgewählten Werken bedeutende Tendenzen der Fotografiegeschichte ablesen, welche in den 30er Jahren ihren Anfang nahmen und Generationen von Künstler_innen nachhaltig beeinflussen sollten. 
Wie Edith Tudor-Hart (1908-1973), die nicht nur für ihre Fotografien bekannt ist, sondern auch mit ihren Aktivitäten für den sowjetischen Geheimdienst von sich reden machte. Als eine der wenigen Frauen fotografierte sie während den 1930er Jahren eigenständig. Es sollte jedoch fast ein Jahrhundert dauern, bis ihr Werk erstmals einer breiten Öffentlichkeit im Rahmen einer eigenen Ausstellung vorgestellt wurde. Als Fotografin war Tudor-Hart unter anderem für die sowjetische Nachrichtenagentur TASS tätig, veröffentlichte aber ebenso Bilder in der Arbeiter-Illustrierte-Zeitung oder in Die Bühne. Ihre politische Haltung spiegelt sich in den Sujets ihrer Fotografien wieder. Die Künstlerin beschäftigte sich intensiv mit den gesellschaftlichen Verhältnissen ihrer Zeit, besuchte die Londoner Arbeiter_innensiedlungen oder porträtierte Bergarbeiter_innen. Ihre fotografischen Streifzüge durch europäische Städte nehmen die Besucher_innen unmittelbar mit in das Geschehen: Sie zeigen die beengten Hinterhöfe Londons oder Schuhputzer und Näherinnen bei ihrer schweren Arbeit. 
Armut und Perspektivlosigkeit zeigen die Fotografien Walker Evans (1903-1975) ungeschönt. Im Auftrag eines Regierungsprojektes der Farm Security Administration, welches die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung untersuchen sollte, fertigte er unzählige Aufnahmen von Menschen in den Südstaaten der USA an. Durch seinen ungewöhnlichen Blick und einer Herangehensweise, die möglichst objektiv Momente einfangen wollte, schuf er ikonische Bilder der Fotografiegeschichte. Er gilt heute als einer der Väter der dokumentarischen Fotografie und beeinflusste bedeutende Künstler_innen wie Helen Levitt, Robert Frank, Diane Arbus oder Lee Friedlander. 
Wichtigen Einfluss auf die Fotografie hatte auch Anton Stankowski (1906-1998). Der Maler, Künstler und Fotograf hat nachhaltig das moderne Grafikdesign der Nachkriegszeit geprägt, indem er zum Beispiel das Logo der Deutschen Bank entwarf. Ende der 1920er Jahre absolvierte er an der progressiven Folkwangschule Essen ein Studium, in welchem Fotografie sowie Grafik und Typografie einen großen Stellenwert einnahmen. Schon damals arbeitete er viel mit Montagen, die sich aus eigenen Fotografien und Typografien zusammensetzten. In seinen Werken sieht man ganz deutlich die Einflüsse der Konkreten und Konstruktiven Kunst, aber auch seine Freude am Experimentieren. Die Fotografien bestechen nicht nur durch ungewöhnliche Bildausschnitte, sondern zeigen ebenso einen spielerischen Umgang mit den Techniken des Mediums. Zum Beispiel legte Stankowski für seine Fotogramme Gegenstände oder Insekten auf das Fotopapier und belichtete diese direkt. Derart entstanden ungeahnte Formen und Kompositionen, die noch heute begeistern.
Eine wahre Wiederentdeckung sind die Aufnahmen Fide Strucks (1901-1985), welche zum Großteil mehrere Jahrzehnte in einem Koffer schlummerten. Erst 2015 wurde das Gepäckstück mit rund 2000 Negativen von seinem Sohn Thomas Struck entpackt und systematisch erfasst. Zutage getreten sind beeindruckende Aufnahmen, die das Leben in Hamburg und Berlin der 30er Jahre festhalten. Eine Serie schildert das hektische Treiben an der Hamburger Börse. Die Geschwindigkeit beim Handeln auf dem Parkett wird ebenso durch die Bewegungsunschärfe der Fotografien unterstrichen. Hektisch geht es ebenfalls im Hamburger Hafen zu, wo Fischkutter ein- und ausfahren und wir durch Fide Struck einen Einblick in die Verarbeitung des Fangs erhaschen können. Einige dieser Aufnahmen sind zum ersten Mal im Rahmen einer Ausstellung zu sehen. 
Während eines Rundgangs wird offenbar, wie entscheidend die hier zu entdeckenden Tendenzen für die heutige Fotografie waren. Die gezeigten Positionen erzählen von einer Zeit voller Umbrüche, welcher sie mit unterschiedlichen künstlerischen Strategien begegneten. 

„Wieder-Entdeckt“ ist bis zum 7. April in Monschau zu sehen, der Eintritt ist frei.