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Kleists „Der zerbrochne Krug“ und das Verhältnis von Sprache, Macht und Gewalt - spannendes Pilotprojekt des Bildungsbüros für die Oberstufe.

 

StädteRegion Aachen. Wer hat bei einem nächtlichen Besuch den Krug in Eves Zimmer zerbrochen? Ihr Verlobter, ein heimlicher Geliebter oder doch der Teufel?  Im Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ – einem der bekanntesten Werke von Heinrich von Kleist - muss Dorfrichter Adam über eine Tat richten, die er selbst begangen hat. Doch wie zeitgemäß ist das Stück (Uraufführung 1808) noch? Das Bildungsbüro der StädteRegion Aachen hat gemeinsam mit dem Grenzlandtheater Aachen, der Jugendkunstschule Bleiberger Fabrik in Aachen sowie Philosophie,- Kunst- und Deutschkursen von vier Schulen in der StädteRegion neue Wege zu dem Stück erarbeitet. An dem Projekt mit dem Titel „Story Works“ sind das Kaiser-Karls-Gymnasium und das St. Leonhard Gymnasium aus Aachen, die Maria-Sibylla-Merian Gesamtschule aus Kohlscheid und federführend das Städtische Gymnasium Herzogenrath beteiligt.

„Heutzutage müssen die Schülerinnen und Schüler noch nicht mal das RECLAM-Heft lesen, um etwas über das Stück zu erfahren. Innerhalb weniger Sekunden bekommen sie die Zusammenfassung und Interpretation bei ChatGPT“, erklärt Claudia Döhmen vom Bildungsbüro der StädteRegion Aachen. „Dem wollten wir entgegenwirken mit einem Programm, das die Bedeutung dieses Theaterstücks für unsere Gegenwart verdeutlicht und alternative Zugänge bietet“, beschreibt sie die Projektidee. Im Rahmen des Projektes erarbeiten rund 110 Schülerinnen und Schüler das Verhältnis von Sprache, Macht und Gewalt. Zum Auftakt fanden vor den Sommerferien in der Bleiberger Fabrik Workshops statt, um die Schülerinnen und Schüler auf die Probenbesuche inhaltlich vorzubereiten - durch Fotografie, Kunst oder Poetry Slam. Im Grenzlandtheater Aachen erleben sie den gesamten Prozess der Entwicklung einer Theaterproduktion mit. „Angefangen von dem Miterleben der ersten Ideen der Schauspieler, der Regie und der Intendanz, konnten sie Lese- und Spielproben besuchen, die Entwicklung des Bühnenbildes und der Kostüme mitverfolgen, die Probebühne und die Theaterwerkstätten besichtigen sowie Gespräche mit der Dramaturgin, der Regieassistenz, den Bühnenbildnern und Kulissenbauern und der Regie und der Intendanz führen“, schwärmt Frank Becker, Deutsch- und Philosophielehrer am Städtischen Gymnasium Herzogenrath. Er verdeutlichte, dass Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerschaft sowie Theaterschaffende eine ähnliche Ausgangslage haben: „Wir müssen uns ein Stück aneignen und stehen dabei alle vor den gleichen Grundfragen. Es ist beeindruckend und gewinnbringend zu sehen, wie die andere Seite damit umgeht, hier haben viele Zahnräder ineinandergegriffen.“

Einige der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler haben jetzt mit ihren Lehrern und Vertreterinnen und Vertretern von Grenzlandtheater und Bildungsbüro eine Bilanz gezogen. Dazu durften Sie mitten im fertigen Bühnenbild Platz nehmen. Zwischen von der Wand hängenden Papierrollen, an einem kantigen Tisch, auf bunt zusammengebauten Stühlen. „Es war super, dass wir durch die Zusammenarbeit mit dem Grenzlandtheater ein Bild zu den Figuren vor Augen hatten. Die Handlungen in dem Stück, die schwierige Sprache, das konnten wir plötzlich alles viel besser verstehen“, erklärt Finja vom Städtischen Gymnasium Herzogenrath und erntet zustimmendes Nicken von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern. Manche von ihnen haben das Stück erst nach den Szenenbesuchen im Theater gelesen, andere hatten es schon vorher in der Schule durchgenommen. „Die Rollenprofile und Interpretationen sind hier so verschieden und so anders. Zu sehen wie der Dorfrichter Adam Macht ausübt, wie der Gerichtsrat das macht und welche Rolle die Frau hat, ist sehr interessant“, findet Jayden von der Maria-Sibylla-Merian-Gesamtschule. Hier haben die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler auch Umfragen zum Thema Mobbing oder gesellschaftliches Zerbrechen durchgeführt.

„Die Resonanz der Schülerschaft, die uns über die letzten Wochen begleitet hat, war sehr aufschlussreich. Uns wurde als Theaterschaffenden nochmal zurückgespiegelt, dass wir Zugang erleichtern zu klassischen Texten, dass die Lektüre danach geradezu Spaß macht. Uns ist natürlich immer dran gelegen für das Medium Theater und für Kultur zu begeistern“, freute sich Ingmar Otto, Intendant des Grenzlandtheater Aachen, über die neugierigen Schülerinnen und Schüler. „Kultur kann man nicht nur durch Unterricht vermitteln. Sie muss auch erlebt und erfahren werden. Das Projekt ermöglicht den Schülerinnen und Schülern außerhalb des Unterrichtes Texte zu erfahren. Ich bin selbst sehr begeistert davon zu sehen, wie andere Menschen mit einem Text umgehen, das war für mich genauso spannend wie für viele Schülerinnen und Schüler“, erklärt Fabian Smeets, Lehrer für Deutsch und Philosophie an der Maria-Sibylla-Merian-Gesamtschule. „Das Entscheidende ist, dass man nachher eine eigene Motivation entwickelt und nicht einfach etwas tut, nur weil es vorgegeben ist. Freiräume entdecken und da hinzuschauen, wo die Schülerinnen und Schüler individuelle Fertigkeiten und Interessen haben und dann Angebote zu machen, das ist das Ziel des Bildungsbüros“, fasst der Bildungsdezernent der StädteRegion Aachen, Markus Terodde zusammen.

Ihre Eindrücke und Erfahrungen sowie Workshop-Ergebnisse haben die Schülerinnen und Schüler in einem „virtuellen Museum“ festgehalten. Neben Fotos der Proben- und Werkstattbesuche ist hier auch ein Film zu sehen, in dem der Regisseur, eine Schauspielerin und ein Schauspieler, ein Lehrer und zwei Schülerinnen über das Stück sprechen. Die digitalen Inhalte sollen weiter ergänzt und auch anderen Schulen zur Verfügung gestellt werden.

Zum Abschluss des Projektes schauen sich die Schülerinnen und Schüler das Stück in seiner Endfassung bei einem Theaterabend im Grenzlandtheater an. „Der zerbrochne Krug“ feiert hier am 24. September Premiere: https://grenzlandtheater.de/programm/der-zerbrochne-krug/

Gefördert wird das Projekt von der DEICHMANN-Stiftung. Weitere Informationen zu Leistungen und Angeboten des Bildungsbüros der StädteRegion Aachen gibt es hier: https://www.staedteregion-aachen.de/bildungsbuero

Kontakt

Bildungsbüro
Zollernstraße 16
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Tel: +49 241 5198-4300
Fax: +49 241 5198-84300