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StädteRegion Aachen will Jodtabletten an Bevölkerung ausgeben. Innenminister muss noch zustimmen.

StädteRegion Aachen. Die Meldungen zu den Vorfällen in den Kraftwerksblöcken „Tihange 2“ und „Doel 3“ reißen nicht ab. „Nachdem jetzt die belgische Atomaufsicht die Bitte der Bundesumweltministerin  Barbara Hendricks schroff zurückgewiesen hat, die beiden AKWs vom Netz zu nehmen, werde ich den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger jetzt offiziell bitten, einer Verteilung von Jodtabletten an die Bevölkerung zuzustimmen“, sagte Etschenberg. Heute war bekannt geworden, dass auch die belgischen Behörden Jodtabletten an alle Belgier verteilen wollen, die im Umkreis von 100 Kilometern zu einem Atomkraftwerk leben.

„Die Entscheidung der belgischen Gesundheitsministerin Maggie de Block, spätestens 2017 das ganze Land mit Jodtabletten zu versorgen, bestätigt unsere Sorge“, erklärt Etschenberg. „Offensichtlich gibt es nun auch auf belgischer Seite erhebliche Vorbehalte was die Sicherheit der Kraftwerksblöcke betrifft. Anders ist dieser Schritt nicht zu erklären“, resümiert der Städteregionsrat, der sich noch in dieser Woche mit einem offiziellen Schreiben an den NRW-Innenminister wenden will. Die Jodtabletten werden schon jetzt dezentral in den Feuerwehrgerätehäusern der Kommunen vorgehalten. Sie gehören aber dem Land und deshalb muss der Innenministerin einer Vorabverteilung zustimmen.

„Es ist mir sehr wichtig, die Menschen, die jünger sind als 45 Jahre sind, schon jetzt mit Tabletten zu versorgen, damit jeder im Ernstfall rechtzeitig Zugriff auf das Kaliumiodid hat“, so Etschenberg. Personen, die älter als 45 Jahre sind, wird von einer Einnahme abgeraten, da mit steigendem Alter häufiger Stoffwechselstörungen der Schilddrüse auftreten. Außerdem nimmt im Alter die Wahrscheinlichkeit ab, an durch ionisierende Strahlung verursachtem Schilddrüsenkrebs zu erkranken.

Erst vor etwa einer Woche war bekannt geworden, dass eine deutsche Expertenkommission erhebliche Zweifel an den nötigen Sicherheitsreserven der maroden Stahlbehälter in den Kraftwerken hat. Daraufhin hatte die zuständige Bundesministerin die belgische Regierung um eine – zumindest – temporäre Abschaltung dieser Atommeiler gebeten. Ein bis dato einmaliger Vorgang, der noch am selben Tag mit einem eindeutigen „Nein“ aus Belgien abgewiesen wurde.

„Dieses Verhalten zeigt mir deutlich, dass unser eingeschlagener Weg der richtige ist“, ist Etschenberg überzeugt. Die Klage der StädteRegion Aachen vor dem Staatsrat läuft bereits seit Februar. Dieser Klage will sich jetzt auch das Land NRW anschließen. Parallel bereitet eine Allianz von inzwischen über 60 Kommunen einen gemeinsamen Termin in Brüssel vor, um dem zuständigen EU-Energiekommissar Miguel Arias Cañete ein Informations- und Auskunftsersuchen zu überreichen. Zudem bereiten die StädteRegion Aachen und jeweils eine Kommune aus Luxemburg und den Niederlanden separate Klagen vor einem ordentlichen Gericht in Belgien vor.

Sofern das Gericht der Forderung nach einer Stilllegung nicht folgt, wird nachrangig beantragt, gegenüber Electrabel anzuordnen, den Betrieb von Tihange 2 zumindest solange stillzulegen, bis alle Sicherheitsfragen rund um Tihange 2 geklärt sind, insbesondere die Ursachen für die Risse und die Folgen dieser Risse unter „atypischen“ Umständen, das heißt in einem Krisenfall.

Die neun natürlichen Personen machen eine persönliche Betroffenheit geltend und klagen wegen einer Gefährdung von Leib, Leben und Gesundheit, die nach ihrer festen Überzeugung von Tihange 2 ausgeht. Im Einzelnen sind dies: Frau Ulla Thönnissen (Aachen), Herr Martin Peters (Stolberg), Herr Werner Krickel (Monschau), Frau Ingrid von Morandell (Würselen), Herr Georg Karl Helg (Aachen), Herr Uwe Löhr (Stolberg), Herr Frank Schalge (Stolberg), Frau Jolanda Marianne Kadijk (Maastricht) und Frank Arndt (Luxemburg). Darüber hinaus sehen sich die klagenden Unternehmen insbesondere in ihren Eigentumsrechten beeinträchtigt. Vertreten werden die Kläger durch Tim Vermeir und Tinne Van der Straeten (blixt – Rechtsanwälte) in Brüssel.

Studie bestätigt starke Betroffenheit der DreiländerRegion Aachen im Falle eines Super-GAUs

Im Oktober hat die StädteRegion Aachen eine Studie des Wiener Instituts für Bodenkultur vorgestellt, die mögliche radiologische Auswirkungen bei einem Versagen des Reaktordruckbehälters im KKW Tihange 2 für die DreiländerRegion Aachen unter 3000 verschiedenen realen Wetterbedingungen analysiert.

Demnach würde mit 30-prozentiger Wahrscheinlichkeit in der Region der Grenzwert für die effektive Dosis zum Schutz von Einzelpersonen um das Dreifache überschritten, der für den Normalbetrieb von Anlagen zulässig ist (=1 Millisievert). Dieser Wert ergibt sich aus der Strahlenschutzverordnung. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Aachener Region von einem radioaktiven Niederschlag betroffen wäre, der in Tschernobyl zur Umsiedelung führte, liegt bei 10 Prozent!

Bei ungünstiger Wetterlage wären die Auswirkungen in dieser Region mit den Städten innerhalb der 20-Kilometer-Sperrzone von Fukushima vergleichbar. Doch nicht nur die DreiländerRegion Aachen, sondern weite Teile des Bundesgebietes, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs wären von der Katastrophe betroffen.

Aachener Bevölkerung fürchtet einen Super-GAU in Tihange

Genau vor einem Jahr (22.12.2015) hatten rund 2.000 Menschen in Aachen für die Sofortabschaltung der belgischen AKW in Tihange demonstriert. Anlass war die Wiederinbetriebnahme des rissigen Reaktorblocks Tihange 2. Zuletzt waren am 12. November 2016 rund 25.000 Menschen im Aachener Tivoli zusammengekommen, um ein Zeichen gegen Tihange zu setzen.

Klage vor dem Staatsrat läuft seit Februar – Kläger repräsentieren 23 Millionen Menschen!

Die StädteRegion Aachen hat schon am 5. Februar 2016 eine Klage vor dem Staatsrat eingereicht. Dieser Klage haben sich zwei deutsche Bundesländer (Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz) und über 100 Kommunen aus Luxemburg, den Niederlanden und Deutschland angeschlossen. Sie repräsentieren über 23 Millionen Menschen!

Die Klage wird derzeit von einem „Auditor“ (vergleichbar mit einem Staatsanwalt) untersucht, der den Sachverhalt sowie die von den Parteien geltend gemachten Argumente untersucht, zusammenfasst und seine Beurteilung in einem ausführlichen und begründeten Bericht niederschreibt. Als Schlussfolgerung formuliert er einen Vorschlag über die Lösung in der Sache. Es gibt keine Frist hierzu.

Dieser Bericht wird dann zur Kenntnis der Partei gebracht, der der Auditor Unrecht gibt. Diese Partei hat dann wiederum Gelegenheit, binnen 30 Tagen einen letzten Schriftsatz mit ihren Argumenten gegen diese Beurteilung vorzulegen. Danach (innerhalb einiger Monate) wird die Sache in öffentlicher Sitzung untersucht. Die Verhandlung vor dem Staatsrat erfolgt hauptsächlich schriftlich. Nach Beratung entscheidet der Staatsrat (innerhalb einiger Monate) in einem begründeten Entscheid endgültig über die Streitsache.

Rechtsanwalt Tim Vermeir von der Brüsseler Kanzlei Blixt rechnet damit, dass der Auditor seine Beurteilung innerhalb der ersten Jahreshälfte 2017 abgibt. 

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